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Pflichtdienst im Gesundheitswesen

Ich bin kein ausgewiesener Experte, kein Politiker oder Jurist. Nur interessierter Laie.

In den vergangenen Wochen seit Ausbruch der Pandemie ist klargeworden, dass zu Schönwetterzeiten Kapazitäten zur Krisenbewältigung nicht vorgehalten werden, weil sie große Kosten verursachen. Erst heute habe ich gelesen, dass die Experten vom Robert-Koch-Institut die heutige Situation für die Regierung wie in einem Drehbuch beschrieben hätten:

2013 wurde dem Bundestag eine Risikoanalyse des Robert Koch-Instituts für gerade dieses Szenario vorgestellt. Dass sich die Risikoanalyse vom 10.12.2012 nicht einmal acht Jahre später wie ein Drehbuch dessen liest, das wir gerade durchleben, kann man als blanke Ironie ansehen, wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung diesen Bericht ersichtlich nicht zum Anlass genommen hat, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Im Hinblick darauf wird man zur gegebenen Zeit fragen müssen, ob wir hier Zeug*innen eines beispiellosen Versagens geworden sind und wie wir das in Zukunft vermeiden können.

Nun ist es ja nicht so, dass das das erste Mal gewesen wäre, dass Krisen vorhergesehen wurden. Ich erinnere mich daran, dass seit 2011 oder 2012 vor einer großen Flüchtlingsbewegung nach Europe gewarnt worden wäre, auf die Europa nicht vorbereitet sei. Man hatte also mehrere Jahre, um Kapazitäten an Flüchtlingsunterkünften aufzubauen oder vor Ort zu helfen, bevor 2015 das Szenario tatsächlich eintrat.

Jetzt ist es so, dass es zumindest einen Bereich gibt, wo Kapazitäten vorgehalten werden, ohne dass sie akut benötigt würden: beim Militär. Ca. 25 Milliarden Euro jährlich bezahlen wir gemeinschaftlich, um uns ein Militär zu finanzieren, das seiner Aufgabe der Landesverteidigung wohl nie nachkommen wird. Warum hier mit zweierlei Maß gemessen wird, kann ich nur vermuten, aber neben historischen Gründen kann ich mir auch vorstellen, dass ein stehendes Heer gewisse patriarchalische Neigungen befriedigt, die ein ausreichend großes Gesundheitssystem oder Kapazitäten zur humanitären Hilfe nicht befriedigen können.

Aber vielleicht lässt sich vom Militär ja was für den Krisenfall lernen. Ich denke da an den guten alten Wehrdienst. Im Moment scheint ja eines der Probleme der schnellen Aufstockung an Intensivpflegebetten zu sein, dass gar nicht ausreichend Personal da sei. Vielleicht ließe sich dem abhelfen, wenn es eine Art Pflichtdienst im Gesundheitswesen für alle Schulabgänger gebe, 12 Monate nach der Schule oder Ausbildung. Dazu Pflegekraft auf Zeit für 4, 8 oder 12 Jahre (PaZ4, PaZ8, PaZ12). Und natürlich Berufspflegekräfte. Dazu eine Pflegekraftreserve, die im Krisenfall "einberufen" werden kann.

Das bringt natürlich nichts, wenn man 10 Jahre nach dem eigenen Dienst einberufen wird, man hat ja alles vergessen – es braucht regelmäßige Auffrischungen, z.B. jedes Jahr zwei Wochen oder alle 4 Jahre ein Monat. Das hilft auch, mit dem Stand der Technik halbwegs vertraut zu sein.

Ich gebe es offen zu: Ich habe meinen Pflichtdienst nicht leiden können. Rückblickend war es eine lehrreiche Zeit, aber ein Einschnitt in meine Planungen war es auch. Und ich sehe auch nicht, dass der Zeitgeist eine solche Maßnahme unterstützen würde – zu groß sind heute wohl die Widerstände gegen solche Einschnitte in die selbstbestimmte Berufs- und Lebensplanung. Aber es wurde in der Diskussion um Kontakt- und Ausgangssperren nach Alternativen gefragt. Und wenn das Gesundheitssystem flexibel auf die Erfordernisse reagieren könnte, müssten solche Diskussionen nicht geführt werden. Dafür würden halt Einschnitte an anderer Stelle stattfinden. Und darüber müsste diskutiert werden.

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